Foto: Hartmut Möller / 23.01 2021
Foto: Hartmut Möller / 31.07.2020
Foto: Dieter Gabrian
V.l.n.r.: Renate Bastian, Fraktionsvorsitzende Marburger Linke; Dr. Anne Archinal, Aktionsgemeinschaft “Rettet den Burgwald“, Henner Gonnermann BUND, Reinhard Grenz, Michelbach; Hartmut Möller, NABU-Marburg; Christian Bubel, Kreistagsfraktion Die Linke; Eberhard Lübbeke, NABU Marburg, Förster Botho Demant, Naturschutzbeirat der Stadt Marburg.
Eine Fläche etwa so groß wie ein Fußballfeld wurde kürzlich im Marbacher Wald in der Nähe des Pharma Standortes Görzhausen gerodet. Mitten im Wald sollen für die Wasserversorgung der Pharma-Unternehmen zwei Wasserbehälter von je 5000 Kubikmeter errichtet werden.
Diesen massiven Eingriff in den heimischen Wald wollten sich Mitglieder*innen des NABU Marburg, des BUND und der Naturfreunde einmal vor Ort genauer ansehen. Eingeladen waren auch Vertreter*innen der Ortsbeiräte Marbach und Michelbach und interessierte Bürgerinnen und Bürger.
Auf dem Weg von der Marbach entlang des Stammwerkes im Hinkelbachtal gab für den NABU Hartmut Möller einige interessante Informationen zu dem FFH-Gebiet unterhalb der Naturfreundehütte. Hier haben die Mopsfledermaus, die Bechstein Fledermaus und das Große Mausohr ihre Winterquartiere. Das Werksgelände grenzt unmittelbar an das Naturschutzgebiet „Teufelsgraben“ an, das wegen spezieller Pflanzen und Amphibien, wie dem Feuersalamander unter besonderem Schutz steht.
Mit Blick auf die riesige asphaltierte Fläche des Parkplatzgeländes wurde von den Teilnehmern die Thematik der Versiegelung von Boden und deren Alternativen - Gestaltung mit Sickersteinen, oder das Auffangen des abfließenden Wassers zur Nutzung als Brauchwasser - diskutiert.
Am Wanderziel der gerodeten Fläche angelangt, skizzierte Hartmut Möller die wesentlichen Inhalte des „Masterplan Standort Behring“. Kritik in Richtung Magistrat: Ohne Beteiligung der Zivilgesellschaft, ohne einen Flächennutzungs- oder Bebauungsplan sei hier eine Rodung erfolgt, indem man auf ein einfaches forstrechtliches Genehmigungsverfahren setzte, erteilt vom Regierungspräsidium in Gießen mit nachträglicher Zustimmung der Stadt Marburg. Hätte es denn keine Alternative gegeben? Hätte man die Wasserbehälter nicht auf eine bereits versiegelte Fläche bauen können, außerhalb des Waldes?
Hier wurden Fakten geschaffen, - jetzt gilt es Schlimmeres zu verhindern, denn es sei beabsichtigt in einer 2. Ausbaustufe diese Anlage mit einer regionalen Wasser-Fernleitung zu versorgen, da prognostiziert wird, dass sich der Wasserverbrauch durch das neue Werk am Standort Görzhausen um 50 Prozent erhöhen würde.
Dr. Anne Archinal von der Aktionsgemeinschaft „Rettet den Burgwald“ forderte ein regionales Wasserkonzept ein, so wie es das „Leitbild Integriertes Wassserressourcen-Management-Rhein-Main“ des Landes Hessen erfordert. Man müsse dem Naturraum nicht noch mehr Grundwasser entziehen um die Region zu versorgen. Dafür gäbe es ausreichend Alternativen. Auch ein teilräumliches Konzept für den Pharmastandort Behringwerke wäre wünschenswert. Wichtig dabei wo könnte wertvolles Trinkwasser durch Brauchwasser ersetzt werden, z. B. könnte man das auf den riesigen Parkflächen anfallende Regenwasser zur Toilettenspülung nutzen. Sie schlägt einen Gesprächstermin mit Pharmaserv im Vorfeld der Erweiterung vor.
Henner Gonnermann vom BUND verwies auf positive Wassermanagementkonzepte bei der Firma Merck in Darmstadt: Ein Klageverfahren des BUND seinerzeit gegen die beantragte Erhöhung der Grundwasserförderung hatte eine grundlegende Revision des innerbetrieblichen Wassermanagements des Pharmakonzerns zur Folge. Als Ergebnis wurde im Verhandlungswege eine deutliche Reduzierung der Grundwasserförderung anstelle von Mehrentnahmen erreicht.
Im konkreten Fall der besichtigten Waldrodung im Marbacher Wald wird sich der BUND über die wasserwirtschaftlichen Hintergründe der erteilten Genehmigungen durch ein Auskunftsersuchen beim Regierungspräsidium Gießen Klarheit verschaffen.
Angesichts des desaströsen Zustandes der Wälder im Marburger Raum als Folge des Klimawandels können dem Landschaftswasserhaushalt keine weiteren Belastungen mehr zugemutet werden. Die Funktion der Wälder als Kohlenstoffsenke wird zunehmend zerstört.
Der ehemalige Förster Botho Demant, Mitglied des Naturschutzbeirates der Stadt Marburg, betont, dass eine nachhaltige und verantwortungsvolle Nutzung der endlichen Ressource Trinkwasser auch aus der Sicht des Naturschutzes notwendiger denn je ist.
Im Vorfeld der geplanten Erweiterungsmaßnahmen im Bereich Görzhausen müssen daher durch die Verantwortlichen in der Stadt und in den Unternehmen im Bereich des „Masterplan Behring Standort“ Fragen wie: gibt es einen Wasserbedarfsnachweis für den Bereich des Masterplanes, sind entsprechende Alternativen und Wassersparkonzepte geprüft worden, beantwortet werden.
Im Zuge einer Minimierung des Eingriffs in Natur und Landschaft ist eine Kavernenlösung, eine Verlagerung der beiden Speicherbecken unter die Erde, ernsthaft zu prüfen und nicht allein aus Kostengründen abzulehnen.
Renate Bastian, Fraktionsvorsitzende Marburger Linke, versprach, die Konkretisierung und Umsetzung des „Masterplan Standort Behring“ kritisch zu begleiten und die Vorschläge der Umweltinitiativen und der anwesenden Bürger*innen für den schonenden Umgang mit der lebensnotwendigen Ressource Wasser im Stadtparlament zur Geltung zu bringen.
Bürger aus dem Stadtteil Michelbach forderten eine umfassende Aufklärung und direkte Beteiligung des Ortsbeirates bei der weiteren Umsetzung des sogenannten Masterplans.
Möller erklärte, der NABU Marburg wolle den Dialog mit den Verantwortlichen von Pharmaserv suchen, mit den Ortsbeiräten im Gespräch bleiben und die Verantwortlichen der Stadtregierung an die Zielsetzungen der Erklärung des Klimanotstandes ausdrücklich erinnern!